Fortschritte bei der Windkraft: Offshore vs. Onshore

Deutschland hat sich ehrgeizige Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt. Die Windkraft spielt dabei eine entscheidende Rolle, wobei sowohl Onshore- als auch Offshore-Windparks einen wesentlichen Beitrag leisten sollen. Doch wie unterscheiden sich diese beiden Technologien, und welche Rolle werden sie in der Energiezukunft Deutschlands spielen?

Der aktuelle Stand der Windenergie in Deutschland

Deutschland gehört zu den führenden Nationen im Bereich der Windenergienutzung. Ende 2024 belief sich die installierte Windkraftleistung auf circa 66 Gigawatt, wovon etwa 58 Gigawatt auf Onshore-Anlagen und 8 Gigawatt auf Offshore-Windparks entfielen. Insgesamt deckt die Windenergie mittlerweile etwa 24% des deutschen Stromverbrauchs ab.

Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt jedoch unterschiedliche Trends:

  • Onshore-Windkraft: Nach einem starken Ausbau bis 2017 folgte eine deutliche Abschwächung durch regulatorische Hürden und Genehmigungsprobleme. Seit 2023 ist wieder eine Belebung zu verzeichnen.
  • Offshore-Windkraft: Kontinuierlicher, aber bislang langsamerer Ausbau, der allerdings zunehmend an Dynamik gewinnt.

Onshore-Windkraft: Stärken und Herausforderungen

Die Nutzung der Windenergie an Land hat eine längere Tradition in Deutschland und bringt spezifische Vorteile mit sich:

Stärken der Onshore-Windkraft

  • Kosten: Onshore-Windkraftanlagen sind in der Errichtung günstiger als Offshore-Anlagen. Die Stromgestehungskosten liegen bei modernen Anlagen bei etwa 5-7 Cent pro Kilowattstunde.
  • Netzanschluss: Die Anbindung an das bestehende Stromnetz ist meist unkomplizierter und kostengünstiger.
  • Dezentrale Energieerzeugung: Windparks an Land ermöglichen eine verbrauchsnahe Stromerzeugung und können zur regionalen Wertschöpfung beitragen.
  • Schnellere Realisierung: Onshore-Projekte haben in der Regel kürzere Planungs- und Bauzeiten.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Windkraft an Land steht jedoch vor einigen Herausforderungen:

Flächenverfügbarkeit und Abstandsregeln: In einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland sind geeignete Flächen begrenzt. Zudem haben verschiedene Bundesländer unterschiedliche Abstandsregeln zu Wohnbebauungen festgelegt, was den Ausbau einschränkt.

Lösungsansätze:

  • Die Bundesregierung hat mit dem "Wind-an-Land-Gesetz" (2022) Flächenziele für die Bundesländer festgelegt: 2% der Landesfläche sollen für Windenergie ausgewiesen werden.
  • Vereinheitlichung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren.
  • Repowering: Ersatz älterer Anlagen durch leistungsstärkere moderne Turbinen.

Akzeptanz in der Bevölkerung: Lokale Widerstände gegen Windparks können Projekte verzögern oder verhindern.

Lösungsansätze:

  • Frühzeitige Einbindung der lokalen Bevölkerung in Planungsprozesse.
  • Finanzielle Beteiligung von Anwohnern und Kommunen an den Erträgen (Bürgerwindparks).
  • Nutzung von Vorrangflächen wie Industriegebieten oder ehemaligen Tagebaugebieten.
"Ohne einen beschleunigten Ausbau der Windenergie an Land werden wir unsere Klimaziele verfehlen. Gleichzeitig müssen wir die berechtigten Interessen der Menschen vor Ort berücksichtigen." - Prof. Dr. Martin Kaltschmitt, Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft

Offshore-Windkraft: Das Potenzial der Meere

Die Nutzung der Windkraft auf See ist in Deutschland ein relativ junges, aber stark wachsendes Segment der erneuerbaren Energien.

Stärken der Offshore-Windkraft

  • Höhere Windausbeute: Auf See weht der Wind stärker und konstanter, was zu deutlich höheren Volllaststunden führt (ca. 4.000-5.000 Stunden pro Jahr gegenüber 2.000-3.000 Stunden bei Onshore-Anlagen).
  • Größere Anlagen: Offshore können größere Turbinen mit höherer Leistung installiert werden (aktuell bis zu 15 MW pro Anlage gegenüber typischerweise 4-6 MW an Land).
  • Geringere Konflikte mit Anwohnern: Die größere Entfernung zur Küste reduziert Konflikte bezüglich Lärm, Schattenwurf und Landschaftsbild.
  • Grundlastfähiger: Durch konstantere Windverhältnisse liefern Offshore-Windparks gleichmäßigeren Strom, was die Integration ins Stromnetz erleichtert.

Herausforderungen und Fortschritte

Der Offshore-Windkraftausbau bringt spezifische Herausforderungen mit sich:

Höhere Kosten: Die Installation und Wartung von Offshore-Anlagen ist deutlich teurer als bei Onshore-Windparks.

Fortschritte:

  • Die Kosten für Offshore-Windstrom sind in den letzten Jahren erheblich gesunken, von über 15 Cent/kWh auf aktuell etwa 7-9 Cent/kWh.
  • Technologische Innovationen wie schwimmende Windkraftanlagen ermöglichen die Erschließung tieferer Gewässer und reduzieren Installationskosten.
  • Größere Projekte führen zu Skaleneffekten und effizienteren Wartungskonzepten.

Netzanbindung: Die Anbindung von Offshore-Windparks ans Festlandnetz erfordert teure Seekabel und Netzausbau im Binnenland.

Fortschritte:

  • Innovationen wie HGÜ-Technologie (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) reduzieren Übertragungsverluste.
  • Entwicklung von Offshore-Netzknoten, die mehrere Windparks bündeln und die Anbindungskosten senken.
  • Integration von Offshore-Windstrom in Wasserstoffproduktion direkt auf See ("Power-to-X").

Direkter Vergleich: Offshore vs. Onshore

Die folgende Tabelle stellt die wichtigsten Merkmale der beiden Windkraftformen gegenüber:

Kriterium Onshore Offshore
Stromgestehungskosten 5-7 Cent/kWh 7-9 Cent/kWh
Volllaststunden pro Jahr 2.000-3.000 4.000-5.000
Typische Anlagengröße 4-6 MW 8-15 MW
Planungs- und Bauzeit 3-5 Jahre 5-7 Jahre
Akzeptanzprobleme Hoch Gering
Netzintegrationsaufwand Moderat Hoch

Synergien und komplementäre Rollen

Immer mehr Experten betonen, dass es nicht um ein "Entweder-oder" geht, sondern um ein "Sowohl-als-auch". Onshore- und Offshore-Windkraft ergänzen sich in idealer Weise:

Zeitliche Ergänzung: Die unterschiedlichen Windregime an Land und auf See führen zu einer zeitlichen Komplementarität. Während an Land die Windstärken saisonal schwanken (stärkere Winde im Winter), sind die Verhältnisse auf See gleichmäßiger.

Räumliche Verteilung: Die Kombination von dezentralen Onshore-Anlagen und großen Offshore-"Kraftwerken" ermöglicht eine bessere räumliche Verteilung der Stromerzeugung, was die Netzstabilität verbessert.

Ausbaupfade: Während der Onshore-Ausbau kurzfristig für schnelle Kapazitätszuwächse sorgen kann, bietet Offshore langfristig ein größeres Potenzial für große Erzeugungskapazitäten.

Die deutsche Windenergiestrategie bis 2030 und darüber hinaus

Die Bundesregierung hat ehrgeizige Ziele für den Ausbau der Windenergie festgelegt:

  • Onshore: Steigerung der installierten Leistung auf 115 GW bis 2030 (aktuell ca. 58 GW)
  • Offshore: Ausbau auf 30 GW bis 2030 und mindestens 70 GW bis 2045 (aktuell ca. 8 GW)

Diese Ziele erfordern einen erheblichen Ausbau beider Technologien. Für Onshore bedeutet dies einen jährlichen Nettozubau von etwa 7-8 GW, für Offshore von 3-4 GW. Zum Vergleich: In den letzten Jahren lag der jährliche Onshore-Zubau bei 1-3 GW, bei Offshore bei etwa 0,2-0,5 GW.

Wichtige Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele

  • Beschleunigung von Genehmigungsverfahren: Digitalisierung und Standardisierung von Antragsverfahren, Personalaufstockung in Behörden.
  • Flächenbereitstellung: Ausweisung von 2% der Landesfläche für Windenergie, Öffnung von Landschaftsschutzgebieten unter bestimmten Bedingungen.
  • Naturschutz und Windkraft vereinbaren: Entwicklung von artenschutzrechtlichen Standards, die sowohl den Naturschutz als auch den Windenergieausbau berücksichtigen.
  • Netzausbau: Beschleunigter Ausbau der Übertragungsnetze von Nord nach Süd, um Offshore-Windstrom in die Verbrauchszentren zu transportieren.
  • Innovationsförderung: Unterstützung von Forschung und Entwicklung zu schwimmenden Offshore-Windparks, höheren Türmen für Onshore-Anlagen und intelligenten Netzintegrationstechnologien.

Fazit: Gemeinsam zum Erfolg

Die Windenergie wird in den kommenden Jahren eine tragende Säule der deutschen Energiewende bleiben. Dabei werden sowohl Onshore- als auch Offshore-Windparks unverzichtbar sein, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen.

Die Stärken beider Technologien – die Kosteneffizienz und schnelle Realisierbarkeit von Onshore-Projekten einerseits und die höhere Energieausbeute und geringeren Konflikte bei Offshore-Anlagen andererseits – machen sie zu idealen Partnern im Energiemix der Zukunft.

Für Investoren, Projektentwickler und politische Entscheidungsträger bedeutet dies, dass eine einseitige Fokussierung auf nur eine der beiden Technologien nicht zielführend ist. Vielmehr sollten die spezifischen Vorteile beider Ansätze genutzt werden, um eine robuste, kostengünstige und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien zu schaffen.

Die Herausforderungen sind erheblich, aber mit dem richtigen Mix aus technologischer Innovation, politischer Unterstützung und gesellschaftlichem Dialog überwindbar. Deutschland hat die Chance, seine führende Rolle im Bereich der Windenergie weiter auszubauen und gleichzeitig einen entscheidenden Beitrag zum globalen Klimaschutz zu leisten.